Die Poetikdozentur 2025 geht an: Tanja Maljartschuk
Im Zentrum der TransLit im Wintersemester 2025/2026 steht die Schriftstellerin und Essayistin Tanja Maljartschuk. Sie wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk in der Westukraine geboren und schloss an der dortigen Prykarpattia National Universität ein Philologiestudium ab. Danach arbeitete sie als Journalistin bei verschiedenen Fernsehsendern in Kyjiw. Seit 2011 lebt sie in Wien.
Zu ihren ins Deutsche übersetzten, im Residenz Verlag sowie im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinenden Werken zählen u.a. der Debütroman Biographie eines zufälligen Wunders (2013), der Band Von Hasen und anderen Europäern. Geschichten aus Kiew (2014), der Roman Blauwal der Erinnerung (2019) und eine Sammlung von Essays mit dem Titel Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus (2022).
Ausgezeichnet wurde sie u.a. 2018 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis (für ihre Erzählung Frösche im Meer), 2023 mit dem Theodor Kramer Preis und 2024 mit dem Jeannette-Schocken-Preis.
Seit 2025 gibt sie gemeinsam mit Claudia Dathe die »Ukrainische Bibliothek« im Wallstein Verlag heraus, in der bedeutende Werke ukrainischer Literat*innen versammelt werden sollen.
Die Vorsilbe ›Trans‹ bezeichnet üblicherweise das Übertragen, Hinüberführen, Umsetzen von etwas in einen anderen Zustand oder an einen anderen Ort, und lässt sich entsprechend mit über, hinüber oder hindurch übersetzen. In den vergangenen ›TransLit‹-Poetikdozenturen stand vor allem zur Diskussion, wie Literatur in ein anderes spezifisch codiertes Medium, sei dieses nun visuell oder akustisch, übertragen wird. In diesem Sinne spielt das Transliterarische im Werk Tanja Maljartschuks bislang eine untergeordnete Rolle. Welche anderen Aspekte des Transliterarischen aber für sie relevant sind, kann hier nachgelesen werden.
In ihren Poetikvorträgen, die mit Der Wal ist tot. Literatur als politisches Medium überschrieben sind, befasst sie sich mit Folgendem: In Debatten über das politische Engagement von Literatur wird häufig das Bild des Wals aus einem Essay von George Orwell herangezogen – als Metapher für das existenzielle Rückzugsrecht der Literatur gegenüber den Zumutungen der Realität. Dabei zählt ausgerechnet Orwell selbst zu den entschiedensten politischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Wie ist dieser Widerspruch zu deuten? Welche Aussage trifft letztlich zu: »Literatur muss nicht politisch sein« – oder »Alle Literatur ist politisch, ob sie es will oder nicht«? Tanja Maljartschuk untersucht in ihren beiden Poetikvorlesungen das spannungsreiche Verhältnis zwischen Literatur und Politik – und damit zugleich die Grundfrage nach dem Zweck von Literatur überhaupt.
In der Dozentur in diesem Wintersemester bekommen außerdem das Akustische und das Visuelle eine eigene Bühne: Es wird ein Konzert mit den ukrainischen Musikerinnen Olha Dondyk (Klavier) und Oksana Dondyk (Gesang) und einen Abend mit der ukrainischen Illustratorin Anna Sarvira geben.
Olha Dondyk und ihre Mutter Oksana fliehen im März 2022, als der Einmarsch Russlands in die Ukraine begann, nach Deutschland und leben seither in der Nähe von Köln.
Olha Dondyk begann ihre Dirigentenlaufbahn in Kyjiw und studiert derzeit in Köln in der Klasse von Alexander Rumpf. Als Dirigierassistentin wirkte Olha bei der Produktion der Kinderoper »Brundibar« von Hans Krasa in Leipzig mit. Mit 19 Jahren, im Januar 2024, gab Olha Dondyk ihr Debüt mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra. Ebenfalls 2024 war sie Halbfinalistin im Dirigentinnenwettbewerb La Maestra in Paris. Siehe auch: https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-dirigentin-olha-dondyk-100.html (»Einstand« am 3. Februar 2025).
Oksana Dondyk ist Kammersängerin, Dirigentin von Profi- und Kinderchören und außerordentliche Dozentin für Gesang und Dirigieren. Im November 2024 gründete sie ihre eigene Gesangs- und Chorschule in Frechen.
Seit 2023 bilden Olga und Oksana Dondyk das Familienduo »Lybid«, das Solokonzertprogramme aufführt. Das Repertoire des Duos besteht hauptsächlich aus ukrainischer Kammergesangsmusik. Als ihre Aufgabe sehen sie es an, ihr Publikum insbesondere mit der ukrainischen Romantik und dem ukrainischen Volkslied bekannt zu machen, weil beides auf besondere Weise die ukrainische Kultur und Geschichte offenbart und reflektiert.
Anna Sarvira, geboren 1986 in Saporischschia (Ukraine), ist eine ukrainische Illustratorin, die seit 2022 in Köln lebt. Sie studierte an der Nationalen Kunstakademie Kyjiw und arbeitet seit 2009 als freiberufliche Illustratorin. Siehe auch: https://www.deutschlandfunk.de/die-ukrainische-kuenstlerin-anna-sarvira-100.html (»Büchermarkt« am 14. Juni 2025)
Für ihre Illustrationen erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem von der Internationalen Kinderbuchmesse Bologna (2017, 2019) und den Joseph Binder Award in Gold von Design Austria. 2022 gestaltete sie einen Comic für das Online-Magazin des Museums of Modern Art (MoMA) in New York, der 2025 auch im Buch »Drawn for MoMA« erschien. 2023 erschien das Kinderbuch »The Girl who kept her eyes open« in 13 Sprachen, herausgegeben von der Europäischen Kommission. 2025 erscheint im taiwanesischen Verlag Hope Lab das Kinderbuch »Playgrounds we love and loved«, das Exilerfahrungen von ukrainischen Kindern mit den Erfahrungen von Kindern im Exil aus Hongkong zusammenbringt. Ihre Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, unter anderem auf der Frankfurter Buchmesse, im Itabashi-Museum in Tokio und im Museu Nacional d’Art de Catalunya in Barcelona. Für das Illustrationskollektiv Pictoric kuratiert sie seit 2014 Ausstellungen, die unter anderem jährlich auf der größten Buchmesse der Ukraine, Book Arsenal in Kyjiw, zu sehen sind.
Moderiert wird die Veranstaltung mit Anna Savira von Ute Wegmann. Ute Wegmann ist seit 1994 festfreie Redakteurin und Moderatorin für den Deutschlandfunk (Büchermarkt); sie schreibt außerdem Bücher für junge Menschen ab acht Jahren; so sind in der »Reihe Hanser« von ihr u.a. erschienen: Sandalenwetter: Eine Liebesgeschichte (2005), Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (2014) und Dunkelgrün wie das Meer (2016). Im dtv-Verlag publizierte sie 2022 Manchmal bist du überall. Geschichten und Gedichte.