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Die Poetikdozentur 2024 geht an: Ann Cotten.

Credit: Franziska Schwarz

Die Schriftstellerin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin Ann Cotten hat die Kölner TransLit Poetikdozentur 2024 inne.
Cotten ist 1982 in Ames, Iowa geboren und lebt heute in Wien und Berlin. Ihr mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes literarisches Schaffen ist eng verzahnt mit Literatur- und Gesellschaftstheorie und Medienreflexion. Neben Lyrik- und Erzählbänden, wie Fremdwörterbuchsonette (2007), Florida-Räume (2010) und Der schaudernde Fächer (2013) sowie den stärker zusammenhängend lesbaren Texten Verbannt! (2016) und Lyophilia (2019) erschienen einige kollaborative Texte, etwa die poetologische Schrift Helm aus Phlox (2011) gemeinsam mit Daniel Falb, Hendrik Jackson, Steffen Popp und Monika Rinck sowie der Band Hauptwerk. Softsoftporn (2013), in welchem lyrische Texte Cottens Seite an Seite mit Zeichnungen Mareile Felliens stehen und der auf Englisch publizierte Band I; Coleoptile (2010) mit Zeichnungen von Kerstin Cmelka. Erwähnenswert ist hier auch das vom Textkollektiv oxoa erstellte, mit dem neuronalen Netz GPT-2 generierte Buch: Ann Cotten, Poetisch denken 3 (2020). Bereits 2008 veröffentlichte Cotten das Internet-Projekt Glossarattrappen.de, bei dem sich User:innen aus einer Datenbank mit 500 Prosa-Texten, 600 Bildern und 80 Zeichnungen ein individuell kuratiertes Buch im AusnahmeVerlag drucken konnten. Diese wenigen Schlaglichter auf Cottens Werk macht bereits deutlich, in welch starkem Sinne man ihr Schreiben als transliterarisch bezeichnen kann. Ihre Veröffentlichungen entgrenzen das Literarische nicht nur hin zu anderen Medien und Mediensimulationen (in Verbannt! sind etwa von Cotten gezeichnete Zeitungsausgaben eingelegt) sowie zu anderen Produktions- und Rezeptionsformen sondern auch in Richtung Abstraktion. Cotten ist nicht nur Lyrikerin bzw. Schriftstellerin, sie arbeitet seit 2020 auch an ihrer Dissertation zu einer, wie sie auf ihrer Seite als Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz in Wien schreibt, „nichthumanistische[n] Ästhetik, die unter anderem künstlicher Intelligenz und selbstlernenden Programmen helfen soll, die funktionale Beziehung von Menschen zu Schönheit und Eleganz zu verstehen.“ Als Forschungsinteressen nennt sie globalregionale Unterschiede in der Begriffsgeschichte, Sprache als System, Verstärkung und Verzerrung, Nebenfunktionen und interkulturelle Unterschiede in Ästhetik, Philosophie und künstlicher Intelligenz. Diese Interessen sind auch ihren literarischen Werken eingeschrieben, paradigmatisch ihrer neuesten Veröffentlichung Die Anleitungen der Vorfahren, 2023 bei Suhrkamp erschienen. In immer neuen Wendungen und experimentellen Anordnungen befragen Cottens Texte das Verhältnis von Sprache und Welt(en). Sie erzeugen und transportieren eine besondere Sensibilität für die realitätsgenerierenden Macht von literarischer wie auch alltäglicher Sprache. Bekannt ist auch das von Cotten entworfene „polnische Gendering“ (alle für alle Geschlechter benötigten Buchstaben in gefälliger Reihenfolge ans Wortende), welches sie mündlich und textlich und quelltextsensibel sogar in Übersetzungen praktiziert.
Ann Cottens TransLit-Dozentur bietet die Möglichkeit, das Transliterarische nicht nur als Verhältnis des literarischen Texts zu anderen Formaten und Medien zu begreifen, sondern transliterarische Ästhetik und Poetik als umfassende, ständig neu zu justierende Selbstpositionierung des literarischen Schreibens in einer planetarischen, postdigitalen Gesellschaft zu verstehen. Dieser Selbstpositionierung sind die vier thematischen Abende gewidmet, die schlaglichtartig je ein transliterarisches Verhältnis (das Trans- selbst, Trance und Trans Europa Express, Transdisziplin und Transcritique, Transdualismus) ins Zentrum rücken.